Als ich schwanger war, habe ich mich lange und intensiv mit der Geburt beschäftigt, verschiedene Kurse besucht, Atemübungen gemacht und Visualisierungen geübt. Nie hätte ich gedacht, dass das, was danach kommen sollte, den Anstrengungen der Geburt um nichts nachstehen würde. Unser Stillstart war denkbar schwierig und mit Zungenbändchen beim Baby, wunden Brustwarzen, einem Pilz in der Brust und vier Brustentzündungen, von denen eine stationär behandelt werden musste, haben wir auch wirklich nichts ausgelassen. Doch die gute Nachricht gleich vorweg: Wir haben es geschafft und alle Probleme überwunden. Wirklich alle. Ich kann es selbst jetzt – 1,5 Jahre danach – noch immer nicht ganz glauben.
Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis zum Thema Stillen umhöre, bekomme ich die unterschiedlichsten Geschichten und Erfahrungen zu hören: von leidgeprüft bis freudvoll, von unkompliziert und einfach bis hin zu äußerst schwierig. Dabei ist der Stillstart immer etwas ganz Besonderes und Individuelles und muss nicht mit Schwierigkeiten verbunden sein! Dennoch lassen sich Probleme nicht komplett ausschließen, weshalb ein paar Tipps und Tricks nicht schaden, um von Beginn an eine freudvolle, optimistische und selbstbewusste Stillbeziehung aufbauen zu können.
Stillstart und Wochenbett
„Eine Woche im Bett, eine Woche ums Bett und eine Woche in der Wohnung/ im Haus“, hat die Hebamme im Geburtsvorbereitungskurs zum Thema Wochenbett gesagt. Das ist nicht nur für die Rückbildung unheimlich wichtig (als mamaFIT-Trainerin kann ich das voll und ganz bestätigen), sondern auch für das gemeinsame Ankommen und Einleben mit dem Baby. Doch meiner Meinung nach hat der Begriff „Wochenbett“ auch noch einen anderen Ursprung: Er kommt daher, weil man schlicht und einfach wochenlang im Bett liegt und stillt. Wie viel Zeit am Tag man tatsächlich mit dem Stillen beschäftigt ist, war mir vor der Geburt nicht bewusst, ebenso wie viele andere Dinge. Auf die Liste dieser Dinge gehören zum Beispiel wunde Brustwarzen, die durch die ungewohnte, kräftige Saugbewegung des Babys ausgelöst werden können, aber auch durch ein unphysiologisches Saugen aufgrund eines Zungenbändchens. Diese Wunden an den Brustwarzen müssen fachgerecht versorgt und sollten nur mit sterilen, desinfizierten Händen berührt werden, da sonst Keime in die Brust gelangen können. Auf die Liste gehören aber auch Brustentzündungen und dass diese scheinbar ohne Vorankündigung auftreten und eine Mama mehrere Tage außer Gefecht setzen können. Und last but not least gehört auf die Liste der Dinge, die ich vor der Geburt nicht über das Stillen gewusst habe, dass viel Milch zu haben mehr als nur ein Luxusproblem sein kann.
Vom Stillneuling zum Stillprofi
Ich habe in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt also gelernt, dass das Stillen nicht unbedingt ein Selbstläufer ist. Denn nicht nur für die frischgebackene Mama ist das Stillen etwas völlig Neues, sondern auch für das Baby! In jeder Phase des Stillens können daher ganz unterschiedliche Probleme und Schwierigkeiten auftreten, die den frischgebackenen Eltern viele Nerven, Geduld und Flexibilität sowie die eine oder andere schlaflose Nacht abverlangen. Können mögliche Auslöser für die Schwierigkeiten ausfindig gemacht werden, gehören die Probleme häufig rasch der Vergangenheit an – nicht selten tappt man aber auch im Dunklen. Wie nun also an die Sache herangehen, wenn man selbst nicht mehr weiterweiß?
Du bist nicht allein: Stillgruppe und Stillberatung
Wenn Jungmütter mitunter das Gefühl haben, die einzige Frau zu sein, die beim Stillen Schwierigkeiten hat, sollten sie wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Die Herausforderungen, die das Wochenbett mit sich bringt, sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Genau deshalb empfehle ich den Eltern, keine falsche Scheu zu haben und bei bestehenden Unsicherheiten und aufkommenden Schwierigkeiten lieber frühzeitig Hilfe von der Hebamme oder einer Stillberaterin anzunehmen oder aber auch eine Stillgruppe zu besuchen. Hebammen und Stillberaterinnen können beim richtigen Anlegen des Babys unterstützen sowie gemeinsam mit den Eltern verschiedene Stillpositionen üben und dadurch Probleme abfedern oder überhaupt abwenden. Außerdem können sie der Jungmama beim richtigen Milchmanagement helfen, denn bei jeder Frau dauert es ein paar Wochen, bis sich die Milchmenge auf die tatsächliche Nachfragemenge eingespielt hat. Auch bei bestehenden Wunden an den Brustwarzen, deren korrekter Versorgung und möglichen Schmerzen beim Stillen ist die Hebamme oder Stillberaterin die richtige Ansprechperson. Nicht zuletzt spielt aber auch die psychische Komponente eine bedeutende, wenn nicht sogar die größte Rolle: Nimmt man erst einmal Hilfe an, verspüren viele Mütter (und auch Väter) oft große Erleichterung, da sie nicht mehr allein mit ihren Problemen fertigwerden müssen, sondern zumindest einen Teil der Verantwortung in kompetente Hände abgeben können. Dies trägt wesentlich dazu bei, die Stillsituation zu entspannen und ist daher ein bedeutsamer Faktor bei der Überwindung von Schwierigkeiten aller Art.
Körperhaltung und Entspannung
Entspannung ist also auch beim Stillen (und nicht nur während der Geburt) das Stichwort Nummer eins. Wenn das Baby schreit, das Stillen schmerzhaft ist oder die Mutter besorgt darüber, ob ihr Kind auch wirklich genug Milch bekommt, ist es oft leichter gesagt als getan, sich zu entspannen. Atemtechniken, Visualisierungsübungen und eine entspannte Körperhaltung, die die werdende Mutter vielleicht bereits vor der Geburt geübt hat, können hier helfen. Die Stillpositionen regelmäßig zu ändern und auf die Körperhaltung zu achten, hat aber auch andere Vorteile: Nicht selten nehmen Mütter während des Stillens eine verkrampfte Haltung ein, was nicht nur zu starken Verspannungen führen, sondern auch die Rückbildung der Rectusdiastase (Spalt zwischen den geraden Bauchmuskeln) und des Beckenbodens behindern kann. Doch genau darum geht es ja im Wochenbett: Sich in Ruhe von der Schwangerschaft und der Geburt zu erholen und dem Körper die Möglichkeit zu geben, sich vollends rückzubilden, gemeinsam mit dem Baby im neuen Leben anzukommen, an Schwierigkeiten zu wachsen (und nicht zu scheitern) und irgendwann mit dem ersten Lächeln für all die Mühen und Entbehrungen belohnt zu werden.
Gut zu wissen: Tipps aus der Praxis
Wäre unser Stillstart anders verlaufen, wenn ich besser darauf vorbereitet gewesen wäre? Vielleicht. Manches hätte sich bestimmt verhindern lassen, andere Dinge habe ich für mich auf die Liste der Lektionen gesetzt, die ich anscheinend unbedingt lernen musste. Zum Beispiel: nicht zu früh zu viel zu wollen. Diese Liste ist auf meinem Weg zum Stillprofi stetig länger geworden und ich möchte sie euch in der Hoffnung, euren Stillweg damit womöglich etwas einfacher zu gestalten, (in Auszügen) natürlich nicht vorenthalten:
Nicht verunsichern lassen! Das ist zwischen Babyblues und Mutterglück leichter gesagt als getan, aber Entspanntheit und eine selbstbewusste Herangehensweise an das Stillen („Wir schaffen das schon!“) tragen wesentlich zum Erfolg des Stillstarts bei.
Stillen ist eine Sache der ganzen Familie. Auch die Väter haben beim Stillen eine tragende Rolle und können mithelfen, den Stillstart erfolgreich zu gestalten.
Die Nummer einer guten Stillberatung, die man auch mal abends oder am Wochenende anrufen kann, bereits in der Schwangerschaft besorgen. Denn Stillprobleme halten sich meist nicht an reguläre Öffnungs- und Ordinationszeiten.
Unterschiedliche Stillpositionen ausprobieren und neue Positionen bei Tag üben. In der Nacht sinkt die Frustrationstoleranz, wenn es doch nicht gleich klappt, oft auf ein Minimum.
Auf physiologisch korrekte Stillpositionen achten: Sind die Schultern entspannt? Sitzt oder liegst du gut? Ist dein Atem ruhig und entspannt? Stillkissen sowie regelmäßige Positionswechsel können Abhilfe schaffen.
Routinen sind wichtig, aber selten eingefahren! Bei Bedarf können sie wieder geändert werden, nur Mut!
Geduld haben und nicht zu früh zu viel wollen. Das Wochenbett dauert nicht umsonst 6-8 Wochen!
Liebe Mamas, liebe Papas! Einem gelungenen Stillstart steht nun nichts mehr im Wege. Nur eines noch: immer alles in Griffweite haben! Denn fängt das Baby erst einmal an zu clustern, kann auch eine Armlänge Abstand zur Trinkflasche, zum bereitgestellten Snack oder zur Lieblingslektüre zum unüberwindbaren Hindernis werden.
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